Hurra, ich habe ein Hörgerät, aber...
Wer jetzt glaubt „Mit Hörgeräten hört man doch wieder wie ein Guthörender !“ – der irrt. Es ist einfach falsch zu denken, dass ein Hörsystem die gesunden Ohren ersetzen kann. Auch das beste und teuerste Hörgerät, welches dem neusten Stand der Technik entspricht, kann das normale Hören nicht wieder zurückbringen.
Ein Hörgerät kann keinen Hörschaden beheben – es ist und bleibt ein Hilfsmittel.
Trotz moderner Technik im oder hinter dem Ohr bleibt die Kommunikation für den Schwerhörigen, auch in Abhängigkeit von seinen individuellen Einschränkungen und der Fähigkeit damit umzugehen, beschwerlich und in bestimmten Situationen, wie zum Beispiel in lauter Umgebung ggf. fast unmöglich. Der Höreindruck mit Hörgeräten ist gegenüber dem Guthörenden verändert.
Der Schall, egal aus welcher Quelle, ob Stimme, Musik oder Geräusch muss erst vom Mikrofon der Hörgeräte empfangen, im Hörgerät verarbeitet und über den Lautsprecher an das Ohr weitergeleitet werden. Dabei können vom Hörgerät zwar gewisse Geräusche herausgefiltert bzw. gedämpft (Windgeräusche oder allgemeiner Lärm) aber ein störungsfreies Hören nicht garantiert werden.
Stimmen klingen wesentlich deutlicher und das Sprachverständnis wird verbessert, aber eine Klangverschiebung gegenüber dem früheren „gesunden Hören“ ist dennoch zu verzeichnen. Auch im Straßenverkehr ist ein verändertes Hörverhalten zu erkennen. Um Entfernungen oder Richtungen von Gefahrenquellen rechtzeitig zu erkennen muss man verstärkt seine Augen einsetzen.
Besondere Aufmerksamkeit ist gegenüber Radfahrern von Vorteil für die eigene Gesundheit. Man hört keine bzw. viel zu spät die Fahrgeräusche (auch in Abhängigkeit vom Fahrbahnbelag und der Nebengeräusche). Klingeln oder Zurufe werden gern „überhört“ oder können nicht richtig räumlich eingeordnet werden. Man erschrickt oder macht unbeabsichtigte Richtungsänderungen. Also erhöhte Alarmstufe insbesondere bei kombinierten Fuß- und Radwegen.
Die Hörqualität ist in Abhängigkeit von der Tageszeit und -form des Schwerhörigen eventuell verschieden. Wenn man am Morgen noch gut mit seiner Hörtechnik klar kommt, muss das am Nachmittag nicht zwangsläufig genauso sein. Auch emotionale Schwankungen können Einfluss auf die Hörqualität haben.
Ein Hörgerät ist immer nur ein Kompromiss.
Ich bin trotz aller Beeinträchtigungen beim Tragen der Hörgeräte froh, dass ich mich dafür entschieden habe. Man lernt die Schwächen, aber auch die Stärken der „kleinen Helferlein“ nur beim täglichen Tragen kennen. Es geht auch von Tag zu Tag besser.
In der Nachttischschublade haben die Geräte keinen Nutzen.
(LK), 16. November 2016