Bericht eines Hörgeschädigten (2)
Nach einigen Recherchen im Internet, Gesprächen mit Freunden und „Leidensgenossen“ aus dem Ortsverein habe ich mir nun ein Urteil gebildet und die Wahl für einen Hörgeräteakustiker getroffen.
Natürlich verrate ich hier nicht, um welchen Akustiker es sich handelt. Wer es dennoch wissen möchte kann mich ja fragen.
Schon beim ersten Termin konnte ich Vertrauen aufbauen und fühlte mich sehr gut und kompetent beraten. Nach dem Erstellen eines Audiogramms, dem Wort- und Zahlentest sowie einer umfangreichen Befragung zu meinen Lebensgewohnheiten im Alltag wurden mir eigenanteilsfreie Hörgeräte in einem von mir so nicht erwarteten Auswahlumfang gezeigt und die Abdrücke für die Herstellung der Otoplastiken (Ohrpassstücke) gemacht.
Ich habe mich für ein HdO-Gerät (HdO=Hinter dem Ohr) entschieden wobei es mir auf Funktionalität und nicht auf Design bzw. Größe ankam. Wichtig für mich ist ein qualitativ gutes Sprachverständnis sowohl in lauter als auch in leiser Umgebung sowie das Vorhandensein einer Telefonspule.
Beim zweiten Termin bekam ich ein erstes eigenanteilsfreies Hörsystem zum Probetragen. Hierbei konnte ich feststellen, dass sich Funktionalität und Größe nicht unbedingt ausschließen. Die „Dinger“ sieht man kaum.
Programmierung und Einstellung nach Audiogramm und meinen eigenen geschilderten Bedürfnissen erfolgten sehr umfangreich und kompetent und stets in freundlicher vertrauensvoller Atmosphäre.
Eine Woche habe ich jetzt bis zum nächsten Termin Zeit mich an die Hörgeräte zu gewöhnen.
Nach dem Anprobetraining wurde ich mit meinen neuen Helferlein in den Ohren in die Freiheit entlassen.
Und die war zunächst – einfach grausam.
Die gesamte Geräuschkulisse der Weimarer Innenstadt schien sich in meinem Kopf zu treffen. Dinge, die ich bisher nicht mehr bzw. nicht mehr in dieser Intensität gehört habe, strömten plötzlich auf mich ein. Verkehrsgeräusche, lautes Stimmengewirr, Kindergeschrei – ich glaubte mir platzt der Kopf.
Am liebsten hätte ich die Geräte wieder in ihrer Verpackung verstaut.
Dann habe ich mir aber gesagt: „Da musst Du jetzt durch. Es kann nur besser werden.“
Ich wollte gleich am ersten Tag des Probetragens einige Situationen, in denen ich ohne Geräte vorher arge Probleme hatte, testen.
Ab zum Goetheplatz zur Bushaltestelle und dann mit der Linie 1 bis
zum Hauptbahnhof. Dort angekommen begab ich mich forschen Schrittes zum
Bahnsteig 1/2 und wollte testen, wie es sich anhört wenn Züge ein- und
ausfahren und gleichzeitig Lautsprecherdurchsagen stattfinden. Bedingt
durch meinen günstigen Standort unter dem Lautsprecher habe ich die
Durchsagen trotz der starken Zuggeräusche eindeutig verstanden. Das war
doch mal ein erstes Erfolgerlebnis.
5 Minuten später in der Bahnhofshalle war das Ergebnis meines Tests
nicht so erfreulich. Bei einer Lautsprecherdurchsage habe ich neben dem
allgemeinen Stimmengemurmel in der Halle nur „Bahnhof“ verstanden.
Das sollte für den ersten Tag eigentlich reichen.
Die folgenden Tage des Probetragens waren etwas weniger spektakulär, aber dennoch nicht einfach.
Man muss eben Geduld mit sich und der neuen Technik haben. Wunder sollte man nicht erwarten.
Ein gesundes, flott hörendes Ohr ist durch nichts zu ersetzen.
(LK), 19. September 2016